Die neue SCB-Realität: Beton statt Ruhm, Glanz und Spektakel
Das Ereignis vom Wochenende? Langnaus Verlängerungssieg in Zürich? Die HCD-Niederlage in Genf? Die bittere SCB-Pleite in Fribourg? Ajoies Penaltysieg gegen Zug?
Nein, es geht nicht um ein einzelnes Spiel oder eine Szene. Es geht um eine Zahl, die auch aus den Resultaten des Wochenendes entstanden ist: Ajoie hat den Rückstand auf den SCB auf 6 Punkte verkürzt. Nur 6 Punkte Differenz nach «Halbzeit» der Qualifikation zwischen dem ewigen Schlusslicht und dem SCB, der doppelt so viel Geld in sein Team investieren kann.
Das spricht einerseits für die Tapferkeit der Jurassier, die nie den Mut verlieren. Und andererseits für den schier unfassbaren SCB-Niedergang, den auch der neue Trainer Heinz Ehlers noch nicht aufzuhalten vermag. Der SCB-Trainer verdankt seinen Ruf als «Beton-Heinz» der Fähigkeit, das taktische Konzept den Möglichkeiten der Mannschaft anzupassen und aus einem Minimum ein Maximum herauszuholen. Ein Grossmeister der spielerischen Mangelwirtschaft.
In der zweithöchsten Liga coachte der Däne spielerische Spitzenteams und gewann mit Biel (2008), Langenthal (2012) und Visp (2025) die Meisterschaft. Aber in der höchsten Liga hat er nie die Chance bekommen, bei einem Spitzenteam ein offensives Spektakel aufzuführen. Das Timing passte einfach nie. Bei den Aufsteigern Biel und Lausanne und in Langnau oder als dänischer Nationaltrainer blieb ihm gar keine andere Wahl als defensives Hockey. Einer der grossen Trainer Europas sieht sich während seiner ganzen Karriere zu «Beton-Hockey» genötigt.
Das ist ungefähr so, wie wenn Pablo Picasso dazu verurteilt worden wäre, Gartenzäune zu streichen. Kenner hätten zwar originell gestaltete Gartenzäune gelobt. Aber ein grosser Maler und Künstler wäre er nie geworden.
Und nun also der SC Bern. Endlich eine Chance bei einem der reichsten und berühmtesten Teams Europas. Wenn wir hier nicht den wahren, den offensiven Heinz Ehlers erleben, wo dann? Aber die sportliche Führung hat den SCB so heruntergewirtschaftet, dass der Däne in Bern eher noch mehr Beton aufbereiten muss als einst in Lausanne oder Langnau.
Inzwischen wird klar: Es war ein kluger Entscheid von Marc Lüthi, die Verpflichtung von Heinz Ehlers durchzusetzen. Der SCB ist ein A«bstiegskandidat» geworden und wäre zu den Zeiten einer 12er-Liga zweitklassig. Natürlich steigt der SCB nicht aus einer 14er-Liga ab und ist nur ein Abstiegskandidat in Anführungszeichen. Selbst wenn das Undenkbare, ja Absurde passieren sollte, würden die Berner nicht relegiert. Sie sind politisch zu mächtig und wirtschaftlich und sportlich für die Liga zu wichtig und würden am grünen Tisch durch eine Liga-Aufstockung begnadigt.
Es geht also in Bern nicht um den Klassenerhalt. Sondern darum, wenigstens das Play-In (Rang 10) zu erreichen. Mit einer Mannschaft, in der 22 Spieler – darunter natürlich auch die Ausländer – eine Minus-Bilanz aufweisen.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
-
Er ist
-
Er kann
-
Erwarte
Da bleibt «Beton» die einzige Lösung.
Nach anfänglicher taktischer Öffnung hat Heinz Ehlers inzwischen nämlich umgestellt. In den zwei Partien vom Wochenende gegen die ZSC Lions und Gottéron hing der SCB mit 43:63 Torschüssen in den Seilen, erzielte zwar nur drei Tore, kassierte aber auch nur drei Gegentreffer und holte drei Punkte. Das ist die «Beton-Taktik», die dem SCB vielleicht doch noch aus dem Tabellenkeller heraushelfen kann. Die Hoffnung, dass immer noch alles möglich ist, stirbt zuletzt.
Aber es geht nicht nur um diese Saison. Es geht um eine existenzielle Frage: Welchen Trainer braucht der SCB in den nächsten zwei, drei Jahren, um die Mannschaft neu aufzubauen und junge Spieler zu integrieren? Romantiker bevorzugen eine Schweizer Lösung. Weil ein Neuaufbau mit einem Schweizer Trainer, der unsere Mentalität versteht, dem Publikum besser «verkauft» werden kann. Erst recht, wenn einer eine SCB-Vergangenheit hat wie Lars Leuenberger.
Das ist grundsätzlich richtig. Aber Realisten mahnen, der SCB sei inzwischen so tief gesunken, dass Romantik keinen Platz mehr hat. Taktischer und sonstiger Realismus sei das Gebot der Stunde. Die Mannschaft wird in den nächsten drei Jahren nicht viel besser besetzt sein. Es ist nicht mehr möglich, auf dem Transfermarkt aufzurüsten wie in früheren Jahren. Die Schweizer Spieler, die dazu in der Lage sind, die Differenz zu machen, sind von der Konkurrenz mit langfristigen Verträgen gebunden worden. Der Markt ist blockiert.
Einst war der SCB eine grosse Organisation mit einer grossen Mannschaft und die sportliche Abteilung konnte sich bei der Trainersuche an grossen Namen orientieren. Heute ist der SCB sportlich das Ajoie der Wohlhabenden und braucht einen Coach wie Heinz Ehlers, der nicht nach Titel und Ruhm strebt. Sondern mit viel Geduld aus wenig viel macht, den Spott erträgt, mit dem berühmten SCB in der unter Tabellenhälfte zu darben und unser Hockey aus langjähriger Erfahrung kennt.
Ein taktischer «Maurermeister» ist gefragt, der ein solides Fundament mauert, den Veteranen Beine macht und die jungen, entwicklungsfähigen Spieler zu begeistern vermag.
Heinz Ehlers Vertrag ist nur bis Saisonende gültig. Er hat eigentlich vor, in seine dänische Heimat zurückzukehren. Es wird schwierig sein, für diese Aufgabe einen besseren Trainer als Heinz Ehlers zu finden.
